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minimal stories/Ulica

minimal story 12

Posted by Sascha Preiß on

Ich hatte den Koffer, in dem wir einige ausrangierte Kleidungsstücke aufbewahrten, mit reichlich Papierabfällen aufgefüllt und in den Müllcontainer geworfen. Aus Nostalgiegründen hatte ich vorher noch einmal die nicht mehr genutzte Kleidung durchgesehen und mich zu erinnern versucht, warum ich z.B. dieses T-Shirt, das einmal ein Geburtstagsgeschenk war, nicht mehr tragen wollte. Aus irgendwelchen Gründen passte ich nicht mehr hinein oder es zu mir. Dass es wohl immer noch ganz gut aussehen kann, wurde mir erst wieder bewusst, als der Mann mit dem Kinderwagen am Zigarettenkiosk jenes Shirt trug. Oder wenigstens sah es meinem alten verwirrend ähnlich. Der Mann lachte das Baby im Kinderwagen an. Es machte nicht den Anschein, als würde er seine Nachmittage mit dem Durchstochern von Müllcontainern verbringen. Andererseits schien er, ausgehen vom Rest seiner Kleidung, nicht allzu wohlhabend zu sein. Ich mochte mir vorstellen, dass er ein bisschen stolz und glücklich über den gut erhaltenen Fund sei und daher fröhlicher als sonst. Dabei hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich bemerkte, dass ich ihn taxierte, wandte mich ab und lief beschämt weiter. Es war eben auch möglich, dass schlicht zweimal das gleiche Shirt in direkter Nachbarschaft existiert hatten, und mir fiel das nur in diesem seltsamen Zusammentreffen auf.

– Sie meinen, die anderen Kleidungsstücke hätten auch noch auftauchen müssen?
– Vielleicht. Aber die Container waren zwischenzeitlich geleert worden.
– Wäre die Wiederkehr etwas Anderen aus dem Koffer, ein Hemd, eine Seite aus einer deutschen Zeitung, ein Beweis gewesen?
– Nein. Auch wenn es die Vermutung wohl gestärkt hätte. Ich war froh, nichts anderes wiederzusehen.
– Warum?
– Um den Alltag nicht als Anhäufung von Verdachtsmomenten erleben zu müssen. Was interessierte mich, woher jemand seine T-Shirts hatte.