Über den Humor von Stadtplanern
Die nachfolgend vorgestellte Straße befindet sich mitten im Stadtzentrum von Irkutsk, unweit des Zentralmarktes, der Oper und der Kreuzerhöhungskirche. Und vor allem in historisch wahrem, asphaltfreiem Zustand. Trekking-Begeisterten und Freunden individueller Stadterkundungen abseits der Mainstream-Sehenswürdigkeiten soll dieses Kleinod wärmstens ans Herz gelegt sein. Denn gerade zur Zeit des sibirischen Tauwetters, aber auch im feuchten Herbst, entwickelt dieser Ort erst seinen eigentlichen, besonderen Charme.
Man beginne die Tour am Fuße der Straße bei den offenen Müllcontainern, um die herum Wind, Hunde und unkontrollierte Wurfleistungen allerlei Reste auf die Straße verteilt haben (Bild 1). Dann arbeite man sich durch die Schlucht die leichte Anhöhe hinauf, weniger experimentierfreudige Wanderer können auf die gebrechliche Holztreppe links daneben zurückgreifen (Bilder 2, 3). Ist man oben auf dem Plateau angekommen, sieht man sich unweigerlich der Herausforderung ausgesetzt, sich einen Weg durch die Fahrspuren zu bahnen – es ist dies eine authentische und ungekünstelte Begegnung mit der sibirischen Stadt von vor ca. 150 Jahren (Bilder 4, 5). Der Weg endet am Aufeinandertreffen der nun absolvierten Straße mit einer halbasphaltierten Querung – genau da, wo erneut Müllcontainer platziert wurden (Bild 6). Man sollte an dieser Stelle innehalten: der Anblick der Fußbekleidung wird unvergesslich bleiben.
Der Name dieser Straße darf bei all dem nicht vergessen werden: ulica Grjasnowa, die Grjasnow-Straße. Grjasnow ist der Familienname einer in der Straßenbeschilderung nicht näher bezeichneten russischen Persönlichkeit; der Nachname wiederum leitet sich vom durchaus treffenden Adjektiv „schmutzig“ ab. Manche Stadtplaner verwirklichen auf diese Weise offenkundig ihre Anfälle von Humor.
(Fotos: Jenny.)