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Russland/Wildbahn

Sibiriens Moore brennen

Posted by Sascha Preiß on

So großmächtig, imperial und besserwisserisch Russland in jüngster Zeit auf internationaler Bühne auftritt, so hilflos und überfordert steht es vor den vielen Problemen im Inland. Seit Jahren brennen allsommerlich die russischen Wälder. Seit einigen Jahren tauen die Permafrostböden. Und in Ostsibirien trocknen die Torfböden, brennen aus und der Rauch verpestet die Luft. Die regionalen Behörden beschwichtigen und die Anwohner haben keine Vorstellung vom Problem. Hin und wieder helfen Greenpeace-Aktivisten auf eigene Kosten, doch auch sie können nur in kleinem Rahmen helfen. Die sibirische Natur wird irreparable Schäden davontragen.

Eine Reportage von Udo Lielischkies im ARD-Weltspiegel: https://www.tagesschau.de/ausland/russland-301.html

Anti-Terror/Irkutsk/Russland/Statistik/Ulica

Die Verschiebung des Baikal

Posted by Sascha Preiß on

Aus den Nachrichten der letzten Tage sticht eine besonders hervor: Der Baikal könnte im kommenden Jahr ein bisschen näher an Europa heranrücken, vielleicht aber auch nur sein östliches Ufer. Grund ist kein geografisches Wunder, sondern lediglich ein paar Entscheidungen mancher Parlamente, etwa des Irkutsker Gebietes, und der letztlichen Genehmigung des Regierungschefs Putin. Dem liegt nämlich ein Vorschlag aus Irkutsk vor, das Irkutsker Gebiet am westlichen Baikalufer um eine Zeitzone in eben den Westen zu verschieben. Man würde dann den Zeitunterschied zu Moskau auf 4 Stunden verringern können, was eine Reihe Arbeitserleichterungen insbesondere mit der russischen Hauptstadt zur Folge hätte. Der Vorschlag knüpft an die Zeitzonenreform des Präsidenten an, nach der mit Beginn der Sommerzeit 2010 die russischen Zonen von 11 auf 9 reduziert wurden. Dass von vielen Seiten eine noch radikalere Zeitkur für möglich gehalten wird, scheint nun auch Irkutsk zu einem geänderten Zeitplan getrieben zu haben. Denn ganz freiwillig ist der Vorschlag nicht entstanden.

Eine überaus radikale Zeitkur wurde am Ostufer des Baikal, in der Republik Burjatien, angeregt, in der normalerweise die Uhren gleich wie am Westbaikal ticken. Eine Abstimmung des burjatischen Nationalparlamentes in Ulan-Ude hätte aber zu einer paradoxen Situation geführt: Während das östliche Burjatien im März 2011 auf die Sommerzeitumstellung verzichten und somit eine Stunde an Moskau heranrücken würde, hätte das westliche Irkutsker Gebiet seine Zeitzone beibehalten – und der wohl einmalige Fall einer entgegengesetzten Zeitverschiebung innerhalb eines Landes wäre eingetreten. Damit selbst in Russland nicht alles möglich ist, kam nun die Gebietsverwaltung Irkutsk dem zu erwartenden Zeitparadox zuvor. Eigentlich ein bisschen schade.

Eine Moskauer Entscheidung über die Verschiebung des Baikal steht bislang aus.

Anti-Terror/Universität/Unter Deutschen

Immunität

Posted by Sascha Preiß on

Eines schönen Junitages, erzählte meine Kollegin, als sie neulich bei uns zu Besuch war, erhielt sie auf ihrem Mobiltelefon einen Anruf:

Schönen guten Tag, Frau R., sagte eine Frauenstimme, hier ist das Generalkonsulat Nowosibirsk. Sie arbeiten doch in Ulan-Ude. – Ja. – Und Sie sind auch gerade dort. – Ja. – Und sie wissen doch, wie lange der Zug von Nowosibirsk nach Ulan-Ude fährt. – Ja, das weiß ich, 40 Stunden. – Aha, ja. Und Sie wissen auch, dass man nicht so ohne weiteres mit dem Flugzeug von hier nach Ulan-Ude kommt, weil es keine Direktflüge gibt. – Ja, auch das weiß ich in der Tat. – Ja, sehen Sie. Das deutsche Außenministerium hat nämlich 2 für den Einsatz in Afghanistan bestimmte Hubschrauber gekauft. – So. – Und die sind nun fertig für den Transport und stehen auf dem Gelände der Hubschrauberfabrik in Ulan-Ude. – Schön. – Und da Sie die Schwierigkeiten bei der Anreise kennen und bereits vor Ort sind, wollte ich Sie fragen, ob Sie in unserem Auftrag diese beiden Hubschrauber besichtigen und fotografieren könnten. – Sie glauben, dass ich einfach so auf das Gelände komme und Fotos machen darf? – Sie erhalten von uns ein offizielles Schreiben mit Erlaubnis und Stempel etc, Sie tun uns einen großen Gefallen. – Das möchte ich mir aber noch in aller Ruhe überlegen.

Damit war das Gespräch beendet und meine Kollegin überlegte. Dass sie als Ausländerin trotz Brief und Siegel wohl nicht einfach so auf das Gelände einer russischen Fabrik für Militärtechnik gelassen wird. Und falls doch, dass das Fotografieren auf diesem Gelände für irgendeinen Mitarbeiter des Geheimdienstes wohl durchaus verdächtig erscheinen könnte. Dass dies ausreicht, um des Landes verwiesen zu werden. Dass sie ein Kind erwartet, dass ihr Mann hier lebt, dass sie mit ihrer Familie in Russland leben möchte und dass sie eine Arbeitserlaubnis für die Universität beantragt hat, wofür es insgesamt von Vorteil wäre, frei vom Verdacht der internationalen Militärspionage zu sein. Tags darauf klingelte erneut das Telefon.

Schönen guten Tag, Frau R., sagte eine andere Stimme, hier ist das Auswärtige Amt in Berlin, vielen herzlichen Dank, dass Sie die beiden Hubschrauber begutachten möchten, das erspart uns viel Arbeit. – Einen Augenblick, aber ich möchte das gar nicht. – Warum denn nicht, Sie erhalten doch von uns offizielle Papiere. – Das mag wohl sein, aber: Meine Kollegin erklärte ihre Bedenken. – Aber welchen Repressionen können Sie denn ausgesetzt sein, Sie genießen doch Immunität! – Nein, das tue ich nicht, ich bin eine normale Mitarbeiterin an der Universität und besitze einen normalen deutschen Pass. – Aber in Afghanistan genießen alle von Deutschland Entsandten Immunität. – Wir sind aber in Russland und ich bin nicht entsandt. – Sie könnten in der Moskauer Botschaft die Immunität beantragen! – Sie könnten einen immunen Mitarbeiter entsenden, der sich die millionenteuren Hubschrauber anschaut, das kostet auf dem Luftweg von Berlin 600 Euro.

Meine Kollegin hatte dann leider das Interesse an der Sache verloren und wusste nicht zu sagen, wie es mit den zwei in Burjatien wartenden Hubschraubern weitergegangen ist. Die Anti-Terror-Verteidigung Deutschlands am Hindukush scheint ihr nicht so wichtig zu sein. Ich selbst bin jedenfalls froh, dass die deutsche Armee dort bislang keine Flugzeuge benötigt, die irgendwann abstürzen könnten und in Russland nachbestellt werden müssten. Das zu Afghanistan nächstgelegene Militärflugzeugwerk befindet sich nämlich in Irkutsk. Und irgendein Außenamtsmitarbeiter hätte dann sicher wieder keine Lust, sich selbst ein Bild vom Stand der Dinge zu machen und würde vielleicht mich anrufen. Ich müsste dann aber ebenfalls absagen – schließlich habe ich schon einmal den Militärdienst verweigert.