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Anti-Terror/Universität/Unter Deutschen

Immunität

Posted by Sascha Preiß on

Eines schönen Junitages, erzählte meine Kollegin, als sie neulich bei uns zu Besuch war, erhielt sie auf ihrem Mobiltelefon einen Anruf:

Schönen guten Tag, Frau R., sagte eine Frauenstimme, hier ist das Generalkonsulat Nowosibirsk. Sie arbeiten doch in Ulan-Ude. – Ja. – Und Sie sind auch gerade dort. – Ja. – Und sie wissen doch, wie lange der Zug von Nowosibirsk nach Ulan-Ude fährt. – Ja, das weiß ich, 40 Stunden. – Aha, ja. Und Sie wissen auch, dass man nicht so ohne weiteres mit dem Flugzeug von hier nach Ulan-Ude kommt, weil es keine Direktflüge gibt. – Ja, auch das weiß ich in der Tat. – Ja, sehen Sie. Das deutsche Außenministerium hat nämlich 2 für den Einsatz in Afghanistan bestimmte Hubschrauber gekauft. – So. – Und die sind nun fertig für den Transport und stehen auf dem Gelände der Hubschrauberfabrik in Ulan-Ude. – Schön. – Und da Sie die Schwierigkeiten bei der Anreise kennen und bereits vor Ort sind, wollte ich Sie fragen, ob Sie in unserem Auftrag diese beiden Hubschrauber besichtigen und fotografieren könnten. – Sie glauben, dass ich einfach so auf das Gelände komme und Fotos machen darf? – Sie erhalten von uns ein offizielles Schreiben mit Erlaubnis und Stempel etc, Sie tun uns einen großen Gefallen. – Das möchte ich mir aber noch in aller Ruhe überlegen.

Damit war das Gespräch beendet und meine Kollegin überlegte. Dass sie als Ausländerin trotz Brief und Siegel wohl nicht einfach so auf das Gelände einer russischen Fabrik für Militärtechnik gelassen wird. Und falls doch, dass das Fotografieren auf diesem Gelände für irgendeinen Mitarbeiter des Geheimdienstes wohl durchaus verdächtig erscheinen könnte. Dass dies ausreicht, um des Landes verwiesen zu werden. Dass sie ein Kind erwartet, dass ihr Mann hier lebt, dass sie mit ihrer Familie in Russland leben möchte und dass sie eine Arbeitserlaubnis für die Universität beantragt hat, wofür es insgesamt von Vorteil wäre, frei vom Verdacht der internationalen Militärspionage zu sein. Tags darauf klingelte erneut das Telefon.

Schönen guten Tag, Frau R., sagte eine andere Stimme, hier ist das Auswärtige Amt in Berlin, vielen herzlichen Dank, dass Sie die beiden Hubschrauber begutachten möchten, das erspart uns viel Arbeit. – Einen Augenblick, aber ich möchte das gar nicht. – Warum denn nicht, Sie erhalten doch von uns offizielle Papiere. – Das mag wohl sein, aber: Meine Kollegin erklärte ihre Bedenken. – Aber welchen Repressionen können Sie denn ausgesetzt sein, Sie genießen doch Immunität! – Nein, das tue ich nicht, ich bin eine normale Mitarbeiterin an der Universität und besitze einen normalen deutschen Pass. – Aber in Afghanistan genießen alle von Deutschland Entsandten Immunität. – Wir sind aber in Russland und ich bin nicht entsandt. – Sie könnten in der Moskauer Botschaft die Immunität beantragen! – Sie könnten einen immunen Mitarbeiter entsenden, der sich die millionenteuren Hubschrauber anschaut, das kostet auf dem Luftweg von Berlin 600 Euro.

Meine Kollegin hatte dann leider das Interesse an der Sache verloren und wusste nicht zu sagen, wie es mit den zwei in Burjatien wartenden Hubschraubern weitergegangen ist. Die Anti-Terror-Verteidigung Deutschlands am Hindukush scheint ihr nicht so wichtig zu sein. Ich selbst bin jedenfalls froh, dass die deutsche Armee dort bislang keine Flugzeuge benötigt, die irgendwann abstürzen könnten und in Russland nachbestellt werden müssten. Das zu Afghanistan nächstgelegene Militärflugzeugwerk befindet sich nämlich in Irkutsk. Und irgendein Außenamtsmitarbeiter hätte dann sicher wieder keine Lust, sich selbst ein Bild vom Stand der Dinge zu machen und würde vielleicht mich anrufen. Ich müsste dann aber ebenfalls absagen – schließlich habe ich schon einmal den Militärdienst verweigert.