Monthly Archives

2 Articles

Architektur/Irkutsk/Russland/Statistik

Produktive Arbeit

Posted by Sascha Preiß on

Die Sache mit den Ausländern ist für Inländer so ziemlich überall ein irgendwie unangenehmes Thema. Denn so ein Migrant, ist er erstmal da, schafft, scheints, hauptsächlich Probleme. Deswegen sind in vielen Ländern, z.B. in Deutschland, viele Inländer, die befürchten allerhand vom Ausländer und sogar, dass sich das Inland schließlich abschafft. So in ähnlich auch in Russland. Nur schreiben die Inländer da keine Bücher, sondern sie marschieren, z.B. durch Moskau. Oder sie machen Gesetze, die unerwünschten Umgang mit dem Ausländer zur verbotenen Tat werden lässt. Ich bin auch Ausländer in Russland und verrate jetzt mal was: Das ist eigentlich alles doch nur gut gemeint. Zum Wohle des Volkes. Schöner unsere Städte und Gemeinden. Wirklich!

Wie zum Beispiel diese schöne Broschüre aus St. Petersburg, die den Ausländern, die hier „Arbeitsmigranten“ heißen und sonst eher mit dem aus Deutschland importierten Begriff „Gastarbeiter“ bezeichnet werden, das Leben so leicht wie möglich machen soll, damit sie gute Arbeit leisten, über die sich die Inländer freuen können. Gastarbeiter eben. Daher sind sie auch konsequent als Werkzeug abgebildet. Ist ja auch so, die meisten Ausländer kommen nach Russland, um hier zu arbeiten, meist im Baugewerbe. Werkzeuge eben. Wo ist das Problem? Ist doch nur gut gemeint.

In Irkutsk aber scheint es mit der Qualität der Gastarbeiterarbeit nicht mehr so zum Besten zu stehen. Jedenfalls möchte der Gouverneur des Irkutsker Gebietes nicht mehr ganz so viele Gastarbeiter, sondern ab 2013 nur noch halb so viele. Und die andere Hälfte soll mit den Inländern gefüllt werden, die zur freien Arbeitsverfügung stehen: Studenten. Damit nämlich kann man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: auf ganz legalem Weg wird man die nicht ganz so populären Leute los, und gleichzeitig erhöhe sich nach Ansicht des Gouverneurs die Qualität der Arbeit. „Daran glaube ich“, sagt der Gouverneur.

Ist es eigentlich von Bedeutung, dass seit Jahren sich die Zahl der Einwohner im Irkutsker Gebiet verringert? Ist es wichtig, dass deutlich mehr Menschen aus Irkutsk weggehen als dass sie aus dem Ausland kommen und bleiben? Für die Forderung von weniger Ausländern ja sowieso noch nie gewesen. Und wenn schon Migranten, dann sollten sie bitte schon was können, wenn sie ihre Arbeitskraft in Russland einzusetzen gedenken. Oder es darf der eigene Nachwuchs endlich ran.

Der Irkutsker Gouverneur hat, scheints, den Glauben an die Schaffenskraft der jungen Leute entdeckt: Mit den Klügsten und Aktivsten der Jugend von heute, die die tollsten Vorschläge zur Entwicklung des Irkutsker Gebietes machen, möchte er sich fortan treffen. Es ist wirklich zu begrüßen, dass die Jugendlichen in diesem Umfang von der Politik ernst genommen und mit einbezogen werden. Das scheint die richtige Balance zwischen theoretischer und produktiver Arbeit, zwischen Geist und Körper, zwischen ideellen und materiellen Werten. Früher mal gab es mal in Deutschland ein wunderschönes Lied, das die Euphorie über die jugendliche Schaffenskraft ganz hervorragend ausdrückte bzw diese Kraft beim Singen überhaupt erst hervorbrachte: Und es wäre doch wirklich zu begrüßen, wenn es in Russland gelänge, das so wichtige, so migrantisierte, so vernachlässigte Baugewerbe mit neuer Schaffenskraft zu neuem Leben zu erwecken. Denn es gilt mehr denn je: Schöner unsere Städte und Gemeinden!

Irkutsk/minimal stories/Ulica

Suburbia

Posted by Sascha Preiß on

Die Hunde blicken drohend, als sie vorüber laufen. Irgendetwas muss sie von ihren üblichen Quartieren vertrieben haben. In einer ungewöhnlich großen Gruppe, beinah zehn Tiere, sind sie auf der Suche nach einer ruhigeren Ecke ihres Reviers und laufen über die frequentierte Straße. Die Autos sind vom Straßenschlamm verdreckt. Ein dunkler, schwerer Off-Roader, aus dem dunkle, schwere Gitarrenriffs dröhnen, biegt in den Innenhof ein und bremst hart vor der Haustür. Niemand steigt aus. Stattdessen ertönt bestimmt die Hupe. Etwas weiter steht eine Limousine mit laufendem Motor herum, ohne Insassen. Die Sandkästen des Spielplatzes sind zugeschneit, vereist, teilweise wieder aufgetaut, Dreck und Matsch. Im Sommer liegen hier die Hunde, die Mütter mit ihren Kleinkindern an verbogener Schaukel, Wippe und Karussel ignorierend. Unter den Bänken, auf denen pelzig die Hofältesten bei besserem Wetter sitzen und die verdorbene Jugend von heute beklagen, liegen ein paar Bierflaschen. Können aber auch vom umgestoßenen Mülleimer sein. Zwei Jungs übernehmen den Platz, um zu bolzen. Der eine drischt den Ball in Richtung Tor, verfehlt es klar und trifft ein parkendes Auto. Von der minutenlangen Alarmanlage lassen sie sich nicht stören. Auch hinter den Gardinen keine Regung. Es ist an diesem arbeitsfreien Montag mal einfach gar nichts los.